Keiner bekommt sein Fett weg!?
Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 30. April 2015
Wissenschaftsjournalist und Mediziner Werner Bartens
Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung zum Beitrag von Werner Bartens, ‚Keiner bekommt sein Fett weg.‘, 30.4./1.5.2015, S. 16:
Keiner bekommt sein Fett weg? Kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen!
Vielschichtige Probleme kann man nicht mit Erfolg monokausal angehen. Das betrifft das gesamte Gesundheitswesen von der Prävention von Krankheiten durch richtiges Essen und kluge Lebensführung bis zur Linderung der Symptome und der Heilung nach dem Ausbruch der Krankheiten. So einfach wie beim Skorbut, der nur kommt, wenn Vitamin C in der Nahrung fehlt und endet, wenn die Versorgung wieder klappt, sind die Verhältnisse nur sehr selten.
Der kluge Autor Werner Bartens weiß das sehr wohl. Er beklagt in der SZ zu Recht immer wieder, dass in der Gesundheitsszene die endlosen und im Ergebnis nutzlosen Diäten eine nach der anderen wie Säue durch das Dorf getrieben werden. Keine der Diätlehren greift aber auf ein ausreichendes Gesamtwissen über die komplexen Wirkzusammenhänge im Körper und in der zentralnervösen Steuerung des Essverhaltens zu.
Im Beitrag vom 30.4./1.5.2015 hangelt sich Werner Bartens aber auf vergleichbare Weise
von einer interessanten Teilerkenntnis über die Bedingungen zur Reduzierung von Körperfett und der nachhaltigen Kontrolle des Körpergewichts zur nächsten. Da er so keinen Gesamtüberblick gewinnt, kommt er zur letztlich falschen Lösung, dass dem Problem des Übergewichts gar nicht beizukommen sei.
Es ist ja alles richtig, dass wir genetisch darauf geeicht sind, Fett zu speichern und dass und die Natur eine solche Programmierung zum Schlankwerden nicht geschenkt hat (Beuschlein). Bekannt ist seit etwa 20 Jahren auch, dass im Nucleus Accumbens des Hypothalamus bestimmte Hirnzellen, die AGRP-Neuronen, Steuerproteine sezernieren, die einen Einfluss auf die Appetit und Hunger fördernden Insulin, Leptin, Ghrelin und Neuropeptid Y haben. Aber das ist doch nicht das ganze Programm! Wie kann man gleich die Flinte ins Korn werfen angesichts angeblich unlösbarer genetischer Festschreibung auf immer ungezügeltere allgemeine Verfettung, wenn man die doch vorhandenen naturgegebenen Instrumente, mit denen dagegen gehalten werden kann, nicht einmal erwähnt?!
Professor Dr. Achim Peters aus Lübeck hat schließlich mit seiner Theorie vom egoistischen Gehirn („selfish brain“) klar gemacht, dass die Entstehung des Übergewichts der schädlichen Wirkung der Stresshormone Cortisol, Adrenalin und anderer geschuldet ist – wodurch die Rolle des Botenstoffes Serotonin zu bedenken ist, das sowohl Esskontrollhormon ist wie auch das einzige Stresskontrollhormon. Das meist Wohlfühlhormon genannte Serotonin nicht in die Rechnung einzubeziehen, ist kaum verständlich. Ich schreibe darüber schon seit Jahren, bin aber ein „Seiteneinsteiger“aus der Rechtswissenschaft, die nur den ersten Teil meines berufichen Lebens bestimmt hat. Für die Experten in den universitären Elfenbeintürmen ist das aber Veranlassung, sich meinen Erkenntnissen meist nicht einmal zu nähern („Wohlfühlhormon Serotonin“, Via Nova, 2. Aufl. 2014 , „Essenspausen, Via Nova ,2012, und www.richtig-essen.net). In meinem Buch über die Esssenspausen folge ich weitgehend den überzeugenden Darlegungen des bekannten Münchner Ernährungswissenschaftlers Professor Dr. Manfred Adam („Kfz-Diät“), dessen abschließender Beurteilung ich auch zustimme, dass trotz endloser bisheriger Fehlversuche die endgültige Lösung des Problems des Übergewichts keineswegs unmöglich erscheint.
Über Appetit und Hunger kann man schließlich nicht reden, ohne auch die Sättigung zu bedenken und das Hormon mit dem schönen Namen Cholezystokinin, das bekanntlich erst 20 Minuten nach Beginn einer jeden Mahlzeit ausgeschüttet wird und das indirekt auch den Hunger begrenzt. Da lohnt es schon mal, sein Essverhalten zu ändern und die heute übliche Unkultur des schnellen Schlingens der Mahlzeiten aufzugeben.
Ich gebe Werner Bartens übrigens Recht, dass alle Versuche, mit mentaler Gewalt die Schlankheit erzwingen zu wollen, vergebens sind. Wir kommen aber mit einer klugen Esskultur, wie wir sie aber noch bis zum Ende des 2. Weltkriegs hatten, zu einer wirklichen Lösung des Problems. Was denken Sie denn, warum praktisch alle Chinesen in guten wie in schlechten Zeiten immer schlank waren – bis jetzt dort in den großen Städten erstmals die Fettsucht bei den Fehlgeleiteten um sich greift, die westliches Essen schick finden?
Mit besten Grüßen
Rolf Ehlers Präsident Gesellschaft für das richtige Essen (GfE), Steinhof 23, 40699 Erkrath, Tel.; 0211 520 381 0, re@richtig-essen.net